An mein Kind

Der Tag, die Nacht, der Tag, die Nacht,
Ganz still gingen die Stunden;
Man hat geklagt und hat gelacht,
War krank um zu gesunden.

Das Leben, es war leicht und nett
Auf meist geraden Wegen,
Es war ein Fluss im sanften Bett,
Fast frei von Schicksalsschlägen.

Doch irgendwann wuchs Sehnsucht leis‘
In uns und wurde stärker,
Zu enden der Gewohnheit Kreis
Und der Routine Kerker.

Dann kam der Tag, die Stille brach,
Und eine Stimme, heiter,
Zum ersten Male von Dir sprach.
Und sprach lang in uns weiter.

Von Dir! Wer bist Du? Wer sind wir?
Und wirst Du mit uns gehen?
Was wünschen, hoffen wir von dir?
Und kannst Du uns verstehen?

Doch Tag für Tag wuchs Zuversicht,
Wuchs ahnungsvolles Hoffen;
Erwartungsfroher Liebe Licht
Hielt unser Herz weit offen.

Und nah der stillen, heil’gen Zeit,
Natur lag wie erfroren;
Ein Innehalten weit und breit,
Da wurdest Du geboren.

Doch Du, mein Junge, bist nicht still,
Bist lebhaft, fröhlich, heiter;
Und wenn ich ruhig stehen will
Dann willst Du meistens weiter.

Du bist kein Kinderwagenkind,
Lässt schieben Dich nicht gerne,
Auf eignen Füßen, ganz geschwind,
Geht’s in die weite Ferne.

Willst hören, schmecken, fühlen, sehn,
Die Welt um Dich entdecken;
Vom Drang, die Dinge zu verstehn,
Kann niemand dich verschrecken.

Kennst Lüge nicht noch Hintersinn,
Spielst ehrlich Deine Spiele;
Auch nicht nach Nutzen und Gewinn
Verfolgst Du Deine Ziele.

Du lässt von Äußerlichem nicht
In Deinem Tun Dich leiten,
Nur wahres, inneres Gewicht
Kann Deinen Weg bereiten.

Mitunter eigensinnig, stur,
Der Laune eingegeben,
Machst Du so manches einfach nur
Um Widerspruch zu leben.

Oft albern, voller Firlefanz,
Schleichst leis‘ Du wie ein Tiger,
Tanzt gern mit Hoppelhase Hans,
Bist Eiswettessen-Sieger.

Spielst Teddy, Dino, Pittiplatsch
Und manchmal auch Tornado,
In nassen Pfützen voller Matsch
Da liegt Dein Eldorado.

Doch ist nicht immer Spiel und Spaß,
Nicht Freude nur bei Dir,
Dann bist Du krank, bist matt und blass,
Und mit Dir leiden wir.

Du zeigst uns an mit jedem Schritt
Wohin Du möchtest gehen.
Und wir? Wir kommen manchmal mit
Und bleiben manchmal stehen.

Doch was auch immer kommen mag:
Wir sind bei Dir an jedem Tag
Und werden’s immer sein.
Vertrauensvoll siehst du uns an,
Umarmst uns mit den Blicken dann:
Nie bist Du ganz allein.

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