Ruhla – Momentaufnahmen meiner Heimat

Als Dreizehnhundertfünfundfünzig
Ein neuer deutscher Kaiser thront,
Im Frankenreich der schwarze Prinz nicht
Das Land und nicht die Menschen schont,
Trat eine Siedlung frisch ans Licht
Mit Namen Rolla, klar und schlicht,
Dem Bache gleich, der springt und fließt
Und in den Erbstrom sich ergießt.

Die Köhler waren’s und die Schmiede,
Die diesen Ort gegründet hatten,
Um Holz und Erze, ganz solide,
Zu bergen in des Waldes Schatten.
Und auch des Krieges Wehr, die Waffen,
Wurden ganz meisterhaft geschaffen.
Dann kamen Hirten, kamen Bauern,
Und Wohlstand wuchs in Ruhlas Mauern.

Das Messerschmieden kam zur Blüte
Wie nicht ein zweites Mal im Land,
Den Rühler Schmied mit starker Güte
Graf Ludwig sah mit schwacher Hand
Und wurde hart, so hart wie Eisen,
Dem eigenen Adel zu verheißen
Nie mehr zu sein des Volkes Plage.
Welch‘ guter Stoff für eine Sage!

Doch Einigkeit ist nie von Dauer,
Wenn Trennung dunkel niedersinkt,
Geteilte Länder tragen Trauer,
Da Zwietracht niemals Segen bringt.
Auch Ruhla trug der Spaltung Fron
Und stand zwei Herzögen in Lohn.
Zwei evangel‘sche Kirchen zeugen
Noch heut‘ vom unfreiwill‘gen Beugen.

Das Messerhandwerk ging dahin
Im kleinstaatlichen Walten,
Doch lag darin auch der Beginn,
Um Neues zu entfalten.
Als Kurbad kam die Stadt zu Ruhm,
Bekannt im ganzen Königtum.
Die Forstwirtschaft gedieh zur Ehre
Dank Forstrat Königs Waldmesslehre.

Und auch des Kunsthandwerks Erfahrung
Niemals verging an diesem Ort.
Der Hände und des Geistes Paarung
Sie leben hier auf ewig  fort.
Geschnitzter Tabakspfeifen Pracht
Hat Ruhla neue Ehr‘ gebracht.
Der Meerschaum-Pfeifenköpfe Stil
Empfing der Lobgesänge viel.

Hurra! Hurra! Sie alle rufen:
Hurra! Und nie war Lebenslust
So groß. Auf vielen Straßen, Stufen
Sieht man manch‘ stolzgeschwellte Brust.
Denn Stadtrecht wurde heut‘ verkündet
Auf das die Stadt zur Stadt sich findet.
Kurz darauf auch die Teilung endet:
Die Stadt geeint, das Blatt gewendet.

Und weiter ging des Handwerks Streben
Den gold‘nen Boden zu bereiten,
Die Industrie entstand, um Leben
Und  Reichtum stetig auszuweiten.
Speziell die Produktion von Uhren
Prägte das Bild in Ruhlas Fluren
Für mehr als hundertzwanzig Jahre.
Das Gott noch länger sie bewahre!

Gegründet Achtzehnzweiundsechzig,
Metallwaren der Brüder Thiel
Verkauften sich ringsum so prächtig,
Dass bald ihr Blick auf Uhren fiel.
Erst kamen Spiel-, dann Taschenuhren
Aus Ruhlas Manufakturen.
Die Stadt, sie wurde weit bekannt
Im Ausland und im Heimatland.

Als erster deutscher Produzent
Baute man Armbanduhren dann,
Erfolgreich bis zu dem Moment,
Als aus dem Nichts ein Krieg begann.
„Was machen wir?“ fragten die Gründer
Und fertigten von da an Zünder.
Ging auch der zweite Krieg verloren:
Die Uhren wurden neu geboren.

War jetzt der Staat ein völlig Neuer
So wie das Produktionssystem,
Es glühte doch das alte Feuer
Im Uhrenbau wie ehedem.
Ganz neu entstand die Uhrfabrik
Durch sie erwuchs auch Ruhlas Glück.
Und lange sonnt‘  im hellsten Glanz sich
Die Uhr Kaliber vierundzwanzig.

Doch Staaten können selbst zerbrechen,
Auch wenn sie lange Zeit nichts merken;
Denn manchmal nur sind‘s eig‘ne Schwächen,
Doch häufig and‘rer Staaten Stärken.
Und brachte Freiheit auch die Wende:
Ging doch manch‘ Gutes hier zu Ende.
Das Uhrenwerk ward  liquidiert
In kleine Firmen überführt.

Die Stadt stand wieder vor dem Nichts,
Gezwungen, neu sich zu entdecken.
Sie tat’s entschlossen, angesichts
Zahlreicher wirtschaftlicher Schrecken.
Touristisch fing der Ort jetzt an
Mit mini-a-thür und Rodelbahn.
Als neuster Abschnitt Rühl’scher Dichtung
Entstand die Ferienhaus-Lichtung.

Und blick‘ ich heut‘ aus meinem Zimmer
Auf diese Stadt, voll Zärtlichkeit;
Schau‘, wie sie träumt im Abendschimmer
Von manch‘ großer Vergangenheit.
Seh‘ der Bewohner Ehrlichkeit,
Die mir ans Herz wuchs mit der Zeit.
Dann weiß ich: Mit nur etwas Mut
Wird sicher alles, alles gut.

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3 Kommentare zu „Ruhla – Momentaufnahmen meiner Heimat“

  1. Wow, toll,
    meine Hochachtung für die Verknüpfung von Wissen und Liebe zur Heimststadt , verbunden mit schlichter aber frischer Dichtung!
    Die Touristinfo würde sich sicher freuen, dies den Besuchern von Ruhla in die Hand geben zu dürfen.
    Einfach toll!

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