Das dicke Buch (Hommage an mein Gedächtnis)

Es gibt doch Dinge, an die wir nie dachten oder die wir im Leben selten beachten.
Vieles nimmt man im Alltag nicht wahr, es ist selbstverständlich für uns da.
Und plötzlich wird man erschreckt von Dingen, die uns aus dem Gleichgewicht bringen…
Die Oma, sie war mir immer so nah, plötzlich ist sie nicht mehr da.
Eine Freundin mit der ich einst geschwärmt, hat sich in eine andere Stadt entfernt.
Ich verlor mal einen Ring, an dem ich wirklich ganz sehr hing.
An der Arbeit gings mal drunter und drüber – wenn ich sie noch hätte, wäre es mir lieber.
Ein Ring, ein Brief oder ein Buch, man hat schon vergebens danach gesucht.
Was einmal fort ist, das ist nicht mehr…

 … wenn dieses dicke Buch nicht wär!

– in dem man alles wieder findet, was uns irgendwann entschwindet.
Wir haben dort seit Kindertagen alles gut leserlich eingetragen.
Manches, was nicht gerade wichtig, notierte man darin nur flüchtig.
Anderes, was war für uns schön, wird ganz farbig darin steh’n.

Bei Oma seh ich nicht nur die Brille, ich seh jedes Fältchen als Lebensrille.
Den Ring vergessen? – Nicht die Spur, ich seh den Glanz noch und die Gravur.
Am Arbeitsplatz gab’s Ernst und Lachen (man musste auch mal Witze machen…)
Alles, was wir wirklich lieben, wird in dieses Buch geschrieben
und wenn man mal ist ganz allein, schaut man einfach dort hinein.
Man kann dann mit dem Ring sich schmücken, Oma mit einem Kuss beglücken,
mit der Freundin einen Ausflug machen, oder mit Kollegen lachen.
Ich werde dieses Buch im Leben immer hegen und auch pflegen
denn sind erst Seiten heraus gerissen, dann ist das eigentlich … doch schade!

Petra Böttger

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