Gedicht
Herbstsymbiose
Herbstblätter erklingen am Wegesrand
Bunte Vielfalt bewegt sich im Sterben
Verschmelzen mit Unrat zu einem Band
Ein langsames Verstummen im Werden
Sie fallen lautlos drehend nieder
Unbemerkt auf herbstlichen Fleck
Der Wind säuselt sanft seine Lieder
Bevor er sie mit Kraft fegt hinweg
So geht die Natur eine Ehe ein
Eine Symbiose im Vergehen
Leise singt ein Vogel sein Lied so fein
Hat die Sonne soeben gesehen
Karin Hotek
Adonisröschen
Schau welch ein herrlicher Frühlingstag
mit weißen Wölkchen im schimmernden Blau.
Froh wandere ich durch Busch und Hag,
damit mein Aug den Lenz erschau.
Und wirklich, die Sonne lockt alles hervor.
Adonisröschen, so zart und fein.
die gelben Blütenköpfchen im Chor
stimmen ins Frühlingslied mit ein.
Die Blütenkronen in seidigem Glanz,
hin zum Licht öffnen sie sich weit.
Sie sind der Sonne zugewandt
zu jeder Tageszeit.
Die römische Göttersage erzählt,
dass Adonis, ein Jüngling mit seidigem Haar.
Frau Venus hatte ihn auserwählt,
ihr ganz besonderer Liebling war.
Der Kriegsgott, Zorn und Eifersucht im Sinn,
ließ ihn durch einen wilden Eber sterben.
Die trauernde Göttin aber verwandelt ihn
in die leuchtende Blume zu neuem Leben.
Gerda Quentel
Milseburg
In meiner Jugend habe ich
zum ersten Mal
Dich, schöner Berg,
erwandert und erstiegen.
Ich schaut‘ und schaute dazumal
und sah ringsum in großer Zahl
die Berge und die Dörfer liegen.
Ein Felsenberg, so schroff und
wie ein Sarkophag, in sanfter
Landschaft türmt er sich empor.
So manche Sage spann sich Jahr
und Tag, vom Riesen Mils,
der darin begraben lag.
Die Phantasie der Röhner
brachte das hervor.
Dann war ich viele Jahre nah
und doch so fern, denn eine
Grenze trennte unser Land.
Ich träumt hinüber, wäre doch so
gern gewandert unter meinem
guten Stern, hinauf zum Berg,
der mir so wohl bekannt.
Nun hat sich mir der Wunsch
erfüllt und Jahr für Jahr besteig
ich, schöner Berg dich wieder.
Ich wandre, dass sich meine
Sehnsucht stillt und mir der
frische Wind die Schläfen
kühlt und sing‘ mit
Kameraden frohe Lieder.
Gerda Quentel
Ein neuer Frühling
Wieder darf ich einen Frühling sehen
und mein Auge all die Schönheit schauen;
spüre, wie die linden Lüfte wehen
seh‘ die weißen Wolken ziehen im Blauen.
Und mein Kätzchen in der Sonne
räkelt sich und schlummert ein.
Dieser Frieden, diese Wonne,
kann noch etwas schöner sein?
Dankbar nach des Winters Tagen
Fühle ich das große Glück.
Neues gilt es jetzt zu wagen,
mutig vorwärts, nicht zurück.
Gerda Quentel
Winterabend am Schwarzen Moor (1944)
Es ruht die Welt im Winterkleid,
der Schnee deckt Moor und Matten.
Die weite Fläche, rings verschneit,
liegt trauernd in der Einsamkeit
der ersten Abendschatten.
Es bricht die Dämm‘rung leicht herein,
der Tag will wieder scheiden,
sie wiegt die Flur im Schlafe ein.
Die Nebel spinnen zart und fein,
den Schleier auszubreiten.
Am Waldrand auf den Fichten liegt
Der letzte Tagesschein.
Der Abend leis darüber fliegt
Und auch die letzten Fichten wiegt
er in den Schlummer ein.
Jenseits das Moor, von Winters Macht
Gefesselt jetzt gebunden;
Sonst einsam, schaurig in der Nacht,
wenn manch ein lockend Ruf erwacht.
Jetzt hat es Ruh gefunden.
So webt die Dämm‘rung hier und dort.
Schon bricht die Nacht herein.
Sie nimmt des Tages Leuchten fort,
und Ruhe kehrt an jedem Ort
und tiefe Stille ein.
Im Frieden liegt ringsum die Welt.
Manch Sternlein ist erwacht
und glitzert hoch am Himmelszelt
herab auf Wald und Moor und Feld
in stiller Winternacht.
Gerda Quentel
Dem Freunde – meinem späteren Mann gewidmet
Denkst du zurück an jene Winternacht?
Die Welt lag ruhig und verschneit.
Am Himmel stand der Mond in voller Pracht
Und wir, zwei Kinder, in Einsamkeit.
Über den Fichten lag ein Wintertraum.
Wir standen stille und gebannt.
Ein silbern Leuchten kam von jedem Baum,
sanft hieltest du mich an der Hand.
Und rings um uns versank die Welt,
manch stummes Zeichen gab dein Mund.
Die Sterne blitzten am Himmelszelt
In dieser stillen, uns geweihten Stund.
Verstummen musste da ein jedes Wort,
denn and’re Stimmen waren hier erwacht.
Und wie im Traume wanderten wir fort,
in dieser wunderreichen Märchennacht.
Gerda Quentel