Es war einmal ein Nadelbaum,
Der hatte einen großen Traum:
Er wünschte sehnlichst sich nichts mehr
Als dass er nur ein Laubbaum wär.
Er wiegte sich im Sonnenschein
Und seufzte tief: „Ach, wär das fein;
Ich würd‘ mit solchem Blätterkleid
Beehren jede Festlichkeit.
Mein Blätterrauschen könnt ich hören
Und mich an seinem Klang betören;
In meinem Schatten ruhten leise
Die Wanderer von schwerer Reise.
Und eines wäre noch das Beste:
Die Blätter schützten meine Äste
Bei Regen, Sturm und heißer Sonne;
Was gäb‘ ich drum für diese Wonne!“
Drauf blickte unser Baum nach oben,
Die Äste flehend hoch erhoben:
„Ach Gott, sei bitte gnädig hier,
Erfüll‘ doch dieses Wünschlein mir.“
Doch Stille war die Antwort nur,
Ganz ruhig lagen Wald und Flur.
Der Baum, er wurde ärgerlich,
Und haderte mit Gott und sich.
Dann reckte patzig unser Baum
Erneut sich in des Himmels Raum:
„Warum, Gott, bleibst du stets im Stillen?
KANNST du nicht meinen Wunsch erfüllen?“
Doch wieder war die Antwort Schweigen.
Da rief er voller Wut: „Verneigen?
Vor dir? Den Kirchengängern gleich?
Bleib‘ doch allein im Himmelreich!“
Da, plötzlich, stieg ein Nebel, weiß
empor und unbeschreiblich heiß
Glühten die Nadeln am zornigen Baum.
Als der Nebel verschwand, man glaubt‘ es kaum,
Sah am Baume man keine Nadeln mehr stehen.
Dafür waren nur grüne Blätter zu sehen.
Der Baum war vor Freude außer sich:
„Wie prächtig ich bin! Ganz königlich!“
Er posaunte in alle Welt hinaus:
„Kommt herbei! Schaut mich an! Bleibt nicht zu Haus!“
Doch nur eine Raupe kroch auf ein Blatt
Und fraß sich an diesem genüsslich satt.
Die Wochen vergingen, doch vieles blieb gleich,
Vorm Baum lag die Wiese, dahinter der Teich.
Das Rauschen der Blätter war ihm bald genug,
Es schreckte die Vögel, die, ruhend vom Flug,
Auf den Ästen Gesellschaft geleistet hatten.
Auch nutzte kein Wandrer den kühlenden Schatten:
Denn an einem Wege stand unser Baum nicht.
Und kein rauschendes Fest kam jemals in Sicht.
Doch eines Morgens besah mit Schreck
Der Baum seine Blätter: Das Grün war weg!
Stattdessen die Farben jetzt braun, gelb und rot,
Und nur vier Wochen später noch größer die Not.
Denn nun fielen sie ab, die einst herrlichen Blätter,
Und schlecht und schlechter wurde das Wetter
Doch kein Blatt mehr schützte vor Regen und Schnee
Unsern Baum, er stand frierend und voller Weh.
Dann sah er die anderen Bäume im Tann,
Eine dunkle Erkenntnis überkam ihn dann,
Und die Äste erneut zum Himmel gebogen
Rief er: „Gott, warum hast du mich nur so betrogen?“
Hallo,
ich bin ehrlich begeistert von diesem tollen Gedicht!
Großes Lob!
Viele Grüße aus Berlin in die alte Heimat!
Kerstin Walther
Sehr schön! Mal was zum Nachdenken.
Super!