Stille, ewige Stille
füllte den leeren Raum mit Erinnerungen. Bei dem Gedanken daran, fühlte es sich
so an, als würde meine Seele gefrieren und in dem Moment wusste ich: Ich hätte
mir niemals einbilden sollen, das Rätsel lösen zu können.
Aber angefangen hatte
alles, als ich vor ein paar Tagen in der Nacht ein Geräusch hörte, das wie ein
leises Ticken einer großen, alten Uhr klang. Doch ich war so sehr im Schlaf
versunken, dass ich nicht wusste, ob es echt oder nur eingebildet in dem
Geflüster meiner Gedanken zu hören war. Ich versuchte zwar, mich darauf zu
konzentrieren, aber das stumpfe Ticken war nicht mehr zu hören. Die scheinbar
endlos mitreißende Stille zog sich wieder durch den ganzen Raum, nahm mich ein
und wog mich wieder sanft in den Schlaf.
… Ich lief den Weg
weiter entlang ins Dorf, über die schmale, mit Kopfsteinpflaster gebaute Brücke
und wollte gerade in die nächste Gasse einbiegen, als ich auf einmal eine
große, unheimliche Gestalt in schwarzem Mantel sah, die geradewegs durch die
Gasse rannte. Plötzlich machte sie halt und drehte sich verängstigt nach mir
um, als hätte sie gewusst, dass sie beobachtet wurde. Schnell versteckte ich
mich hinter der alten Brücke und fuhr in mir zusammen. Mein Puls raste so
schnell wie noch nie und das Herz pochte so heftig als wollte es
herausspringen.
Nachdem die Gestalt
nicht mehr zu sehen war, atmete ich tief durch und guckte vorsichtig über die
Brücke hinweg. Dabei entdeckte ich etwas Interessantes, was die Person dem
Anschein nach verloren hatte. Es war ein zerknitterter mit der Aufschrift „Max“
versehener Zettel, auf dessen Rückseite dem Jahr 2018 handgeschrieben in
altdeutscher Schrift stand…
Ich öffnete langsam
blinzelnd die Augen. Erschrocken und zugleich auch erleichtert stellte ich
fest, dass es nur ein Traum war. Das dachte ich zumindest. Denn auf einmal
bemerkte ich etwas ziemlich Hartes, was furchtbar nach Erde roch. Ich nahm es
in die Hand und stellte verwirrt und voller Erstaunen fest, dass es der mysteriöse
Zettel aus meinem vermeintlichen Traum war. Kurz darauf kroch mir der
eigenartige, feuchte und zugleich trockene Geruch in die Nase, während ich
begann, das Blatt vorsichtig aufzufalten. Und ich entdeckte tatsächlich den mit
dunkler Tinte geschriebenen Namen und das über 100 Jahre alte Datum. Jedoch war
dies nicht das Einzige, was ich zu sehen vermochte. Fast unscheinbar, sich am
Rande des Blattes verbergend erkannte ich eine kleine, gar unlesbare Schrift,
mit der ich auf den ersten Blick nichts anfangen konnte. Doch plötzlich, dank
eines sanften Lichtstrahls, der von der Sonne durch das schmale Fenster des
Zimmers zart auf mich herabzusinken schien, spiegelte sich der unbekannte Schriftzug
erst spärlich und dann immer deutlicher zu erkennen auf dem von Glas bedecktem
Ziffernblatt meiner dunkelblauen Uhr. Ohne nun den Lichtschein zu verlieren,
blickte ich immer näherkommend auf das Glas meiner Uhr und betrachtete die kurz
hinterlassene Nachricht: Es ist deines Schicksals Weg.
In diesem Moment wurde
mir klar: Ich muss tatsächlich zur Brücke!
Draußen war es für einen
Spätsommertag kalt und windig. Dichter Nebel legte sich über die Straßen und
den Ort. Die Sonne kam kaum aus den Wolken heraus und war nur schwer zu
erkennen. Doch das stürmische Wetter hielt mich nicht auf. Nichts konnte mich
nun noch von meinem Weg abbringen. Eine Antwort suchend blickte ich auf zum
wolkenbedeckten Himmel. Jedoch empfing ich weder die erhoffte Antwort noch
einen Einfall, der mir die Augen öffnen und helfen konnte.
Plötzlich sah ich einen
aus dem Nichts erschienenen alten Mann, den ich noch nie zuvor im Ort gesehen
hatte.
Es schien, als wäre er
schon fast 100 Jahre alt. Jedoch nicht wegen der Haut oder seines Ganges,
obwohl er einen großen Regenschirm als Gehstock nutzte, der ihn bei seiner Art
zu laufen, zu unterstützen schien, sondern wegen seiner Kleidung und seines
Stils. Er trug eine Art Sakkoanzug, wie ich ihn oft schon in Schwarzweißfilmen
gesehen hatte, eine weite, geradegeschnittene braune Hose und schwarze,
glänzende Schuhe. Zudem bedeckte ein dunkler Homburg Hut die schwarzen Haare
des Mannes und warf einen Schatten auf seine hellen Augen. Je näher er kam,
desto mehr erkannte ich sein Gesicht, obwohl ich ihn nie wahrhaftig gesehen
hatte. Seine Augen schienen immer heller zu werden, obwohl sie ihre Farbe nicht
änderten und der Mann blickte nun vorsichtig, aber unheimlich ausdrucksstark
vom Boden auf, als trüge er eine einzigartige Gabe in sich.
Ein kalter Schauer lief
mir über den Rücken und mein Körper zuckte kurz zusammen, nachdem der
Unbekannte sich durch den dichten Nebel zu erkennen gab. Der Alte sah mich
genau untersuchend an. Auch ich konnte einer genaueren Betrachtung nicht
widerstehen und riskierte es, ihm eines Blickes zu würdigen.
Seine grünen, aber
gleichzeitig auch hellblauen Augen waren voller Hoffnung auf Glück und trugen
förmlich die unendliche Wissbegierde in sich, wie ich sie noch nie zuvor in
meinen Leben gesehen hatte.
Seine markante Narbe am
schmalen, spitzen Kinn war dieselbe wie ich sie schon gefühlt mein ganzes Leben
lang hatte. Nur seine Haare waren anders, so schwarz wie der Tod und das
Unglück.
Endlich begann sich mir
in Gedanken eine Tür zu öffnen, deren Eintritt ich keinesfalls verwehren wollte,
denn hinter ihr schien es, als gäbe es auf jede Frage eine Antwort, in der sich
jedes Puzzleteil zu einem Bild zusammenfügte, und jeder Weg zu einem Ziel
führte, das ich nun vor Augen hatte.
Doch, was ich vor allem an
dem rätselhaften Mann besonders fand, war, dass er mir alles nahezu
Unerklärliche erzählte, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.
Ich konnte seinem tiefen
Blick, der wie ein offenes Fenster seiner Gedanken war, lange nicht entweichen.
Doch während er an mir vorbeilief und meine Jacke mit dem großen Holzgriff des
Regenschirms streifte, drehte ich mich zitternd um und rief mit weinerlicher
Stimme innerlich zusammenbrechend: „Max!“
Der Alte blieb
versteinert wie im Boden verankert stehen und stützte sich mit seinem scheinbar
verletzten Arm auf den großen, grauen Regenschirm. Offensichtlich hatte er mich
wirklich gehört. Jedoch machte er keine Anstalten, sich mir auch verbal zu
öffnen, sondern deutete stattdessen mit dem anderen Arm hoch zum Waldesrand, wo
die alten, fast vergessenen Erlengräber lagen. Seinem Blick folgend sah ich den
Berg hinauf und noch bevor ich ihm eines dankbaren Blickes würdigen konnte, war
er genau so rätselhaft ins Nichts verschwunden, wie er auch erschienen war.
Ich blickte noch eine
Weile auf die unscheinbar wirkende Stelle, an der sich bis eben noch einer der
bedeutendsten Personen meiner Familie befand, rannte dann jedoch nach diesem
Moment des Innehaltens mit voller Entschlossenheit, Max´ Nachricht zu
entschlüsseln und damit vielleicht sogar ein geheimnisvolles Rätsel der
Vergangenheit zu lösen, in die Richtung des alten Friedhofs.
Darüber nachdenkend, was
er mir zu sagen versucht hatte, näherte ich mich nach Luft schnappend langsam
dem längst vergessenen Friedhof der Kriegsgefallenen aus dem Ersten Weltkrieg,
der später in Vergessenheit geriet und durch die umliegenden Erlen zuwuchs.
Der Wind pfiff in
schrillen Tönen immer stärker werdend über die Wiesen und Felder, die ich
bereits hinter mir gelassen hatte, und krümmte die uralten heruntergekommenen
Bäume so, dass sie nur noch verelendet mit ihren fast ganz aus dem Boden
herausgedrückten Wurzeln neben dem fruchtbaren Boden der grünen Wiese standen
und mitleidig anzusehen waren.
Oben angekommen öffnete
mir ein kalter Windstoß quietschend die Tür des halb zerfallenen Friedhofzauns.
Vorsichtig schritt ich
durch den rostigen Eingang des Ortes hindurch. Furcht erfasste mich und ein
kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich die Anlage geradeausschauend
betrat. Verborgen, versteckt in der hintersten Ecke der alten Begräbnisstätte,
entdeckte ich ein riesiges Grabmal aus Naturstein, das mit einer Oberfläche
ähnlich einer Patina überzogen war, und vor dem sich eine beängstigende Statue,
die einer unheimlichen Mohnblume glich, befand. Doch meine Neugier packte mich
und ich lief geradewegs zur grünlich wirkenden Mauer. Bedächtig ging ich den
schmalen und steinigen Weg zur anderen Seite, die von einer Art Rondell etwas
eingegrenzt und von den anderen Gräbern abgelegen war. Je mehr ich mich der
abschreckenden Mauer näherte, umso mehr erkannte ich die in Stein gemeißelte
Widmung auf dem breiten Mittelstück, auf dem am oberen Rande ein vergoldeter
Lorbeerkranz zu sehen war.
Nun stand ich vor dem
festen Stein und traute mich kaum, genau hinzusehen, denn plötzlich spürte ich
eine heftige Böe, die mir fast den Boden unter meinen Füßen wegriss, und
bemerkte, wie sich die Wolken am Himmel zuzogen und es um mich herum immer
düsterer wurde. „Nein, ich drehe jetzt nicht um, jetzt, wo ich so nah daran
bin, die Wahrheit herauszufinden.“, versuchte ich selbstbewusst in die Welt
hinauszurufen und mich nicht von meiner Angst einnehmen zu lassen.
Ich trat mutig vor das
Grabmal. Mein Blick fiel zuerst auf die mittig stehende Inschrift, die ich
begann, laut vorzulesen:
Den tapferen Söhnen, die mit Heldentod für Volk und Vaterland im Kriege starben:
Wo ihr auch ruhet nach des Herren Rat,
auf künftiger Erde mit blutiger Saat,
nimmer vergangen im deutschen Land,
so setzt euch zur Ruh‘ in des Herren Hand.
Meine Augen füllten sich
mit Tränen und ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Ein schauerliches
Gefühl umgab mich, Furcht ergriff meinen Geist. Mit einem Mal fühlte ich mich
in den endlosen Weiten des nebligen Mischwaldes verloren. Mein Verstand betete
mich an, diesen Ort zu verlassen und meine Beine verspürten den leichten Drang,
mich an einen sicheren zu bringen. Aber irgendetwas in mir hielt mich dort und
bewegte mich zu bleiben, wenigstens einen Moment.
Näher herantretend
berührte ich den mühsam gefertigten Lorbeerkranz des gewaltigen Mauersteins und
fühlte, wie sich meine Finger in die tiefen Mulden und Einkerbungen legten, als
ich ein auffällig weich klingendes Geräusch hörte. Vorsichtig trat ich einen
Schritt zurück und vernahm das dumpfe Geräusch stärker. Ich wusste nicht, wo es
herkam oder was es war. Doch noch bevor ich dies herausfinden konnte, war es
auch schon verschwunden. Nun umgab mich nur noch die unheimliche Stille des auf
einmal fast leeren Friedhofs. Allein ein leises Rauschen der Blätter war zu
hören. Fragend drehte ich mich voller Furcht um, aber auch daraus gewann ich
keine Erkenntnis.
Hoffnungslos und
verwirrt schaute ich mich auf dem verwucherten Friedhof um. Mein Blick fiel auf
die zwei Platten mit den Namen der Gefallenen, welche unscheinbar neben der
großen aufgestellt worden waren. Interessiert betrachtete ich das Geschriebene
und erfasste es mit Augen und Verstand.
„Walter Anders: 10.08.
1888 bis 15.09. 1915, Albert Fischer: 23.03. 1898 bis 02.10.1918 (vermisst),
Karl und Erwin Schilling: 06.11.1894 bis 05.11. 1916“, ging ich langsam mit
pochendem Herzen durch die Reihen.
Der Wind schien stärker
zu werden, die mich umhüllende Stille wurde zur einer mächtigen Nebelgestalt,
die mich immer mehr mit ihrem Sog erdrückte und die Luft drohte knapper zu
werden. Doch ich blieb standhaft die nächsten Daten erblickend stehen und las
weiter: „05.10.1881 bis 08.07.1917 Max He-“ Mein Atem stockte. Geschockt sah
ich vom Stein auf und hielt die Luft an. Es fühlte sich so an, als umgäbe mich
eine erstarrte Welt aus eisiger Kälte, die drohte, auch mich einzunehmen. Ich
konnte meinen Augen nicht trauen. Stand ich wirklich vor dem Grab meines
Vorfahren, über den nie jemand ein Wort verloren hatte, obwohl man seine
Existenz nicht leugnen konnte? Nach
einem kräftigen Atemzug besann ich mich wieder und betrachtete aufgewühlt das
mühselig in Stein Gemeißelte. Ich begann meine Hände über das Ausgearbeitete zu
streifen. Plötzlich blieb ich in der tiefen Mulde des X hängen, die möglicherweise
wie der Hühnergott am Meer durch Verwitterung oder kräftige Winde entstanden
war. Doch das erschien mir als irreführende Unwahrheit. Verblüfft berührte ich
den Schriftzug noch einmal, fühlte die nach innen immer größer werdende
Vertiefung und drückte vorsichtig dagegen. In diesem Augenblick blätterte ein
Teil der Steinplatte der äußeren Seite ab und fiel zu Boden. Erschrocken zog
ich meine zarten Finger aus der tiefen Kuhle und ließ meinen Blick zur rauen
Außenseite der Tafel schweifen. Voller Erstaunen entdeckte ich dort eine kleine
Öffnung an der unscheinbaren Flächen des mächtigen Steins. Augenblicklich zog
mir ein etwas durch Herz, Mark und Bein. Ein angespanntes Gefühl strömte nun
durch meine Adern und ich wusste nicht, ob ich in meiner Unruhe nun Freude oder
Furchtsamkeit empfinden sollte. Doch die Neugier und unglaublich große
Wissbegierde überkam mich schließlich, sodass ich nicht lange zögerte, den
Inhalt des eigenartigen Lochs zu erfahren.
Achtsam griff ich in den
dunkel wirkenden Spalt hinein. Plötzlich fühlte ich einen runden Gegenstand,
etwa so groß wie meine Handfläche, der glatt, aber zugleich auch unglaublich
rau war und zog ihn aus der Öffnung heraus.
Überrascht und ratlos
starrte ich den entdeckten Gegenstand an. Es war eine alte, goldene Taschenuhr,
wahrscheinlich eine Savonette, die die fein verzierte Gravur „M.H.“ trug. Ihr
besonders aufwendig verziertes Aussehen ließ mein Herz förmlich höherschlagen.
Sie besaß eine Art Knopf
an der Oberseite, womit man den verholzten Deckel des Zeitmessers öffnen konnte.
Doch so oft ich es auch zu versuchen vermochte, die Uhr blieb so fest
geschlossen, als wären Deckel und Ziffernblatt reglos miteinander verschmolzen.
Daher drehte ich die Savonette konzentriert untersuchend um und betrachtete ihre
schwere, deutlich massivere Rückseite. Erstaunt, als wäre ich aus allen Wolken
gefallen, erblickte ich die braune Fläche und die sich darauf befindende
Verschlüsselung. Darüber rätselnd, was eine solche Kombination aus vier Zahlen
sein konnte, ließ ich meine Gedanken hoffnungsvoll ausschweifen und sah mich
rätselnd um. Plötzlich sprangen mir die Namen der Kriegsopfer wieder ins Auge. Nach
meinem Ururgroßvater suchend durchforstete ich mit meinen mittlerweile
schwächer werdenden Augen hastig die Namen, bis ich den seinigen gefunden
hatte. Mein Herz sagte mir, dass sich hier des Rätsels Lösung befinden musste.
Nachdenklich betrachtete ich die Zeile nach Hinweisen suchend, aber weder der
Tod noch die Geburt halfen mir weiter. Die Sache für aussichtslos haltend
wendete ich den Blick von der Platte ab, als plötzlich die Worte einer mir
unbekannten Stimme in meinem Geist erklangen: „Nicht immer können Dinge allein
des Rätsels Lösung sein. Doch vereinst du sie in einem wird dies der Schlüssel
zu deinem.“ „Max?“, fragte ich schreiend in den Abend hinein und drehte mich
bestürzt nach allen Seiten um, doch es war niemand weder zu hören noch zu
sehen. Dennoch dankend wandte ich mich wieder der Verschlüsselung zu, bis mir
schließlich etwas in den Sinn kam, nachdem ich die Tage und Monate betrachtet
hatte, deren Quersumme gemeinsam jeweils 15 ergab. Aufmerksam schaute ich die
Jahreszahlen an, deren Ziffern je 18 zählten. Ruhelos nahm ich die alte Uhr
hervor, die ich bis eben sicher in meiner Jackentasche aufbewahrt hatte, und
drehte nervös 1518 ein. In diesem Moment sprach der Deckel der Savonette wie
von selbst auf. Mein Blick fiel auf ihre helle Mitte, auf der Stunden- und
Minutenzeiger wie auf die Sekunde genau ihre Runden über das Ziffernblatt
fuhren. Begeistert drehte ich die Uhr leicht und spürte ein sonderbares Gefühl
in mir aufkommen, als meine Augen die Innenseite des Deckels erfassten. „Erinnerungen
sterben nicht“, stand es eingraviert auf wunderschöne Art und Weise geschrieben
und es fühlte sich so an, als schenkte mir die Taschenuhr ihre ganze Zeit, die
sie schon über all die Jahre gemessen hatte, innerhalb weniger Sekunden. Einen
Augenblick lang begann ich darüber zu grübeln, jedoch hatte ich mich nun daran
gewöhnt, nicht alle Geheimnisse lüften zu können.
Nach einem kurzen Moment
der Besinnung beschloss ich, während ich zum immer düsterer werdenden Himmel
aufsah, mich nun zurück nach Hause zu begeben. Danach schaute ich ein letztes
Mal auf die eindrucksvolle Uhr, die auf sonderbare Weise etwas Magisches an
sich trug, durch das ich mich sicher und geborgen fühlte, klappte den
vergoldeten Deckel vorsichtig zu und legte sie in sichere Verwahrung, nachdem
meine Finger noch einmal über die Struktur der hölzernen Rückseite berührt
hatten.
Auf dem Weg zum Ausgang spürte
ich, dass die Begegnung mit Max etwas in mir ausgelöst und ein neues Kapitel in
mir geöffnet hatte. „Max“, sprach ich ihn in den Abend hinein an, „als
Reisender erblickst du die Zeit, bis es ist soweit. Doch bist du dir sicher,
dann zeigt dir stets die Uhr, wie du gehst auf deiner richtigen Spur.“
Durch mein Erlebnis
geprägt und in der Hoffnung, dass ich Max je wiedersehen würde, lief ich in
Gedanken versunken den schmalen Weg neben Wiesen und Feldern bergab. Ich
vernahm das laute Rauschen Blätter kaum, sondern hörte tief in Gedanken Max´
Worte, die der Wind nun übers Land trug: Erinnerungen sterben nicht.