C. Schreiber (86)

Auf der Suche …

Noch immer auf der Suche,
noch immer ohne Ziel,
noch immer voller Unrast
verlange ich zu viel?

Die Augen voller Sehnen,
das Herz voll Zuversicht.
Und trotzdem mit dem Wissen:
Das Ende kenn ich nicht.

Lebt vielgelebte Träume,
oft trunken fast vom Glück.
Durchschritt zerquälte Räume –
die Sehnsucht nahm ich mit.

Bin noch nicht angekommen
trotz aller innrer Pein,
und frage mich beklommen,
wie wird das Ende sein?

Will noch nicht akzeptieren,
dass ich auch endlich bin.
Bin weiter auf der Suche
nach meinen Zielen hin.

Christa Schreiber

14

Endlichkeit

Es gibt die Nacht die Sonne frei,
lässt sie vom Schlaf erwachen;
still schwimmt der Ond.
Ich frag mich, was des Tages sei,
ob Weinen oder Lachen,
das in mir wohnt.

Der Himmel blaut, ein leider Hauch
von einem fernen Frühlingstag,
mein Herz schlägt laut.
Verschlafen wachen Vögel auf,
der erste leise Lerchenschlag
ist mir vertraut.

Ich grüß den Morgen nach der Nacht,
die ewig mir schienen ist;
wie schon so oft.
Mir scheint, es hat jemand gelacht,
der so wie ich nach dieser Nacht
mit mir gehofft.

Ich frage mich, was soll der Schmerz
so schwer auf meiner Seele
wie ein Gewicht.
Die Ungewissheit drückt mein Herz
kann mir jedoch die Antwort wählen:
Verzage nicht.

Christa Schreiber

11

Abschied und Neubeginn

Ein letzter Flecken Schnee
in einer Senke sich versteckt,
weiß, wie die Schleierwolke,
die das Himmelsblau bedeckt.
Der Winter ging, ließ zum Gedenken
noch diesen letzten Gruß.
Der Frühling kommt, er muss,
wenn auch auf leisen Sohlen,
zaghaft und mild; um alle zu beschenken.
Geputzt die blinden Winterfenster,
gewechselt die verblichenen Gardinen,
um so der Sonne freie Bahn zu bieten;
denn in den Gärten prangt ein Farbenmeer
von Frühlingsblüten,
erfreuend Herz und Seelen.
Heimkehr der Vögel, die aus vollen Kehlen
danken all jenen, die ihr Leben hütenl
Die Fröhlichkeit ist überall zu fühlen.
Hoffnung geht auf: Dies wird ein gutes Jahr
Vergessend allen Gram und alle Schmach;
und auch den Streit, der Vieler Lieben trennte.
Dies wird ein Jahr der allseitigen Wende.
Wende wovon? Wende für wen?
Wohl auch für den, der zweifelnd hoffte
auch eben dieses Jahr. Wie wahr,
wenn Zweifel sich erklären,
und gut ist auch, sich dann und wann zu wehren,
dass eben dieses Jahr
für jeden die Erfüllung bringt.

Christa Schreiber

10

Erkenntnis

Haare werden dünner,
Falten werden mehr,
Nägel wachsen schneller,
laufen fällt sehr schwer.
Gelenke werden dicker,
dünner wird die Haut,
die Liebe, die hat ausgeliebt,
jetzt wird nur noch geschaut;
den Jüngren hinterher –
zu andrem reichts nicht mehr.
Hier mal ein Pfiff,
dort mal ein Witz,
und manchmal ein Gedankenblitz:
Wie es doch früher war,
mit damals vollem Haar,
mit seidenweicher Haut;
da ward nicht nur geschaut
Doch Reue kommt zu spät,
hab ich genug gelebt,
hab ich genug geliebt?
und was es sonst für Fragen gibt –
doch nichts ist mehr zu sagen:
als, sie war schön, die Zeit,
die unvergessen bleibt.
Gelebt hab ich doch gern,
ist auch das Lieben fern –
was soll dann die Tirade?
Ich kann nur denken:
Schade!!

Christa Schreiber

11

Herbstliches

Wie Bleikristalle hängen in den Zweigen
die Raureiftropfen der Septembernacht.
Die Nebelschleier tanzen ihren Reigen
bis sie zur kühlen Morgensonne treiben,
die herbstlich trüb am Horizont erwacht.

Der graue Tag, der öffnet seine Augen,
die ohne Glanz und ohne Wärme sind.
Im Blätterbunt der Reben hängen Trauben,
die letzten Glanz der Sonnenstrahlen rauben,
bis überreif sie fallen im Septemberwind.

Die Herbstzeitlosen streuen blaue Flecken
ins Gelb und Rot des goldigbraunen Hains.
Der Winter naht; doch aus der Reben Hecken,
wo honigsüß die Trauben sich verstecken,
fließt bald des Baccuss lebensvoller Wein.

Christa Schreiber

8

Und wie war dein Gesicht?

Mehr und mehr entfernst du dich von mir,
nur ein fahler Schatten bleibt von dir.
Schemenhaft Gesicht und Hand –
unvorstellbar, wie ich zu dir fand.

Klar und klarer dafür jeder Ort,
deutlicher auch das gesprochene Wort.
Lupenrein das Zimmer und die Stadt,
die uns damals aufgenommen hat.

Könnt dir malen jeden Pflasterstein,
Regennächte, Tagessonnenschein,
jede Nummer jeder Straßenbahn
und die Menschen, die wir damals sahn.

Ich weiß jede Lampe auf dem Weg,
kenn, ihr Licht; und wie du dich erregt,
als die Kerze ausging in der Nacht –
es ward dunkel, du hast hell gelacht.

Weiß das Buch, in dem ich wartend las,
kenn den Garten noch, das Haus, das Glas
in das Wein ich goss, den ich dir dann gereicht,
weil er rot war, drum bist du erbleicht.

All das bleibt im Leben,
hat Gewicht,
alles weiß ich –
wie war dein Gesicht?

Christa Schreiber

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