Literaturwettbewerb 2018

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Und wie war dein Gesicht?

Mehr und mehr entfernst du dich von mir,
nur ein fahler Schatten bleibt von dir.
Schemenhaft Gesicht und Hand –
unvorstellbar, wie ich zu dir fand.

Klar und klarer dafür jeder Ort,
deutlicher auch das gesprochene Wort.
Lupenrein das Zimmer und die Stadt,
die uns damals aufgenommen hat.

Könnt dir malen jeden Pflasterstein,
Regennächte, Tagessonnenschein,
jede Nummer jeder Straßenbahn
und die Menschen, die wir damals sahn.

Ich weiß jede Lampe auf dem Weg,
kenn, ihr Licht; und wie du dich erregt,
als die Kerze ausging in der Nacht –
es ward dunkel, du hast hell gelacht.

Weiß das Buch, in dem ich wartend las,
kenn den Garten noch, das Haus, das Glas
in das Wein ich goss, den ich dir dann gereicht,
weil er rot war, drum bist du erbleicht.

All das bleibt im Leben,
hat Gewicht,
alles weiß ich –
wie war dein Gesicht?

Christa Schreiber

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Für meinen Mann (in Memoriam)

Um Jahre älter bin ich nun seit heute –
nicht im Gesicht und nicht an Haut und Haar –
doch alles, was mich hielt und was mich freute,
was Sonnenlicht und was mir Leben war,
hast du mit deinem Fortgehn‘ mir genommen;
ließt leer zurück mich, gleich dem Trauerbaum,
geraubt des Frühlingsblüten und die Frucht des Sommers,
beraubt des Bodens und geraubt den Traum.
Bin ohne Erde nun und ohne Sonne,
hab keine Träume mehr und auch kein Lied,
nutzlose Zweige nur an meinem Stamme,
und statt der Flamme mir die Asche blieb.
Kein Hauch des Frohsinns wird sie neu entfachen,
kein Ton wird reihen sich zum Klang.
Verweht das glückdurchdrängte Lachen,
vorbei die Melodie, die Liebe sang.
Ich steh‘ vor mir und kann mich nicht erkennen;
es schwand mein Ich, dass nur mit dir gelebt,
weiß nicht, wie soll ich mich ab heute nennen,
und aller Schmerz der Welt will mich verbrennen
seitdem du gingst – ich kenn nicht deinen Weg.

Doch leben ohne „ich“, wem ist das schon gegeben,
so treib ich neue Wurzeln, such mir neuen Halt.
Vielleicht, dass ich auch wieder Frühlingsblüten trage,
dass Frucht mir wächst an herbstdurchwehtem Tage
vielleicht bin ich für eine neue Liebe nicht zu alt –

vielleicht.

Christa Schreiber

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Dies ist mein Land

Bin weit in meinem Land umhergegangen,
hab Seen gegrüßt und Berge steiler Hänge,
und hab die Sonnenstrahlen für dich eingefangen,
und hab gefühlt: Dies ist mein Land.

Mein Land bist du und bist mein Lied.
Dein Herzschlag geht durch alle meine Jahre,
dein Atem ist der meine,
du, meine Heimat,
meine einzig wahre.

Ich sah die Felder wogen unter reifer Frucht,
und sah die Schiffe fahren schwer von Fracht,
Ich hab für dich der Kinder Lachen mitgebracht,
und hab gefühlt: Dies ist mein Land.

Ich hab der Universitäten Geist erlebt,
und wie der Arbeiter das Wort ergreift.
Und wie die Blume an den Wegesrändern reift;
ich bring sie dir, dir, meinem Land.

Mein Land bist du, und bist mein Lied,
dein Herzschlag geht durch alle meine Jahre.
Dein Atem ist der meine,
du, meine Heimat,
meine einzig wahre.

Christa Schreiber

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Abschied und Neubeginn

Ein letzter Flecken Schnee
in einer Senke sich versteckt,
weiß, wie die Schleierwolke,
die das Himmelsblau bedeckt.
Der Winter ging, ließ zum Gedenken

noch diesen einen Gruß.
Der Frühling kommt, er muss,
wenn auch auf leisen Sohlen,
zaghaft und mild,
um alle zu beschenken.

Geputzt die blinden Winterfenster,
gewechselt die verblichenen Gardinen,
um schrankenlos der Sonne nun zu dienen,
und dunkle Zeiten allerseits zu heilen.
Gefegt die winterlichen Straßen,

denn in den Gärten prangt ein Farbenmeer
von Frühlingsblüten, freuend Herz und Seelen.
Heimkehr der Vögel, die aus vollen Kehlen
danken all jenen, die ihr Leben hüten.
Die Fröhlichkeit ist überall zu fühlen;

Hoffnung geht auf: Dies wird ein gutes Jahr
Vergessen aller Gram und alle Schmach,
und auch der Streit, der Vieler Liebe trennte;
dies wird ein Jahr der allseitigen Wende;
Wende wovon, Wende für wen?

Wohl auch für den, der zweifelnd hoffte
auf eben dieses Jahr.
Wie wahr, wenn Zweifel sich erklären,
denn gut ist auch, sich dann und wann zu wehren,
damit in diesem Jahr der Mensch wird, was er ist:
Ein Mensch!

Christa Schreiber

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Ruhla ist auch im Dezember schön

Weihnachtsduft und Schneegeruch
zieht durch die Straßen und Stuben.
Silbern glänzt der „Alex-Turm“,
„Miniathür“ schloss seine Luken.

Rodelbahn war Sommerspaß,
Schneekristall nun auf den Bäumen,
überzuckert ihr Gezweig,
Vorweihnachtszeit ist zum träumen.

Widerschein von Fensterkerzen
macht uns die Häuser vertraut.
Selbst das harte Kopfsteinpflaster
schluckt in dem Schnee jeden Laut.

Glockenläuten von Balkonen,
Kirchen erstrahlen voll Pracht.
Christkind wird in ihnen wohnen;
bald schon ist Heilige Nacht.

Ruhla liegt im Winterschlummer,
bereit nun zur Weihnachtszeit.
Und die Vögel haben Hunger,
Atzung für sie steht bereit.

Kneipen und Läden erwarten Gäste –
Tannen – Lametta – geschmückt.
Alle sind bereit zum Feste,
das ihre Herzen beglückt.

Kommt her zu uns und ihr könnt es sehn:
Ruhla ist auch im Dezember schön.

Christa Schreiber

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Das Geburtstagsbrot

Es war zu der Zeit, als es noch Lebensmittelmarken gab.
Wir waren neben Vater und Mutter drei Geschwister, die, wie viele andere Menschen zu der Zeit, immer hungrig waren. Das wichtigste und auch begehrteste Lebensmittel war für alle das Brot. Es war, wie fast alles, rationiert, und wenn es dem Monatsende zuging, in fast allen Familien kaum noch vorrätig.
Wenn wir am Küchentisch saßen und jeder auf seine Scheibe Brot wartete, konnte ich am traurigen Blick meiner Mutter sehen, wie gern sie jedem von uns so viele Scheiben Brot hätte geben wollen, bis er satt war; aber diese Zeit ließ das nicht zu.
Das Endstück des Brotes – das sogenannte Knützchen – erhielt immer der Vater und oft beneideten wir ihn darum.
Mutter schnitt die Scheiben möglichst dünn, denn ein Brot musste bei fünf Personen eine ganze Woche vorhalten.

Um mich trotzdem am Duft frischgebackenen Brotes ergötzen zu können, erbot ich mich immer, das Brot einzukaufen, und zwar in der Bäckerei gleich neben unserer Wohnung. Ich gab dort die abgeschnittenen Brotmarken ab, erhielt jeweils ein frisches noch warmes Brot und versuchte möglichst lange in der Bäckerei zu bleiben, denn bis zum Laden nebenan schafften es die Brote nie, zu sehr warteten die Hungrigsten auf den nächsten Schub dieses köstlichen Lebensmittels.

Für mich war der Duft des frischen Brotes wie ein Geschenk. Ich bewunderte die vielen Brote, wie sie aus dem Backofen geschaufelt wurden; Vierpfünder, Dreipfünder, Zweipfünder und, auf die sah ich ganz besonders begehrlich, kleine, runde, glänzende Einpfünder. Und ich wünschte mir, nur einmal in meinen kurzen Leben ein solches kleines, glänzendes, warmes Einpfundbrot allein für mich zu besitzen. In Gedanken biss ich in die knackige, warme Kruste und verzehrte diese Köstlichkeit ganz allein und auf einmal.

Mein Geburtstag rückte heran, und trotz geringer Möglichkeiten, uns Kindern zum Geburtstag ein kleines Geschenk zu machen, fragte mich meine Mutter, was ich mir denn wünsche. Sie wusste, dass unsere Wünsche nie ein Ausmaß annahmen, die ihre Möglichkeit, sie zu erfüllen, überschritten. Sie musste mich mehrfach fragen, was ich mir denn nun wünschte, ich aber zögerte, weil mir dieser heimliche Wunsch so ungeheuerlich vorkam, dass ich mich nicht getraute, ihn zu äußern.

Aber meine Mutter blieb hartnäckig. Schließlich offenbarte ich ihr, dass ich mir zu meinem Geburtstag ein kleines rundes Brot wünsche. Mutter ließ mich nicht spüren, was sie von meinem Wunsch hielt. Sie selbst kam nicht wieder darauf zurück, und ich sah meinen sehnlichsten Wunsch nie in Erfüllung gehen.

Einige Tage vor meinem Geburtstag fragte sie mich, ob ich sie denn nach Eisenach begleiten wolle; den Grund dafür nannte sie nicht. Ich sollte also mit ihr nach Eisenach pilgern ohne zu wissen, was sie tatsächlich dort vorhatte, hoffte aber, dass sie Lebensmittel zu kaufen beabsichtigte, denn in der Kreisstadt wurden die Lebensmittelmarken immer mehrere Tage vor denen in Ruhla aufgerufen. Wir machten uns auf den Weg.

Schon in Wutha war ich am Ende meiner Kräfte, denn alles musste per Pedes bewältigt werden. Busse gab es noch nicht und die Bahn fuhr schon lange nicht mehr. Meine Mutter sah, dass ich den Weg bis nach Eisenach nicht schaffen würde, und, wie immer, fand sie eine Lösung. Sie bat eine Familie in einem Haus an der Wegstrecke, mich zu beherbergen, bis sie mich auf dem Rückweg wieder abholen würde. So geschah es. Man setzte mich im Vorgarten des Hauses auf eine Bank, die freundliche Frau versorgte mich mit Pfefferminztee, und ich harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Nach Stunden kam meine Mutter mit vollen Einkaufstaschen aus Eisenach zurück gepilgert. Aus den Einkaufsbehältnissen roch es verführerisch – da ahnte ich bereits, warum sie mich überhaupt auf diese beschwerliche Wanderschaft mitgenommen hatte.
Ich konnte es kaum erwarten, traute mich aber nicht, sie zu fragen – bis sie aus einer der Taschen mein Geburtstagsgeschenk herausnahm: Ein kleines, rundes, bräunlich-glänzendes, warmes Einpfundbrot! Sie hielt es mit beiden Händen und übergab mir, wie in einem Zeremoniell, diese kleine Kostbarkeit! Ich durfte auf dem langen Weg bis nach Ruhla dieses Geschenk für mich ganz allein aufessen, so, wie ich es mir erträumt hatte. Ich tat es mit so viel Genuss, wie ich vordem nie eine solche Kostbarkeit zu mir genommen und sie genussvoll verzehrt hatte.

Selbst heute noch, wenn ich an einer Bäckerei vorbeigehe – und es gibt leider nur noch wenige Bäckereien, die ihr Brot selbst backen – den Duft frischgebackenen Brotes rieche, denke ich an das Geburtstagsgeschenk und ich empfinde unendliche Dankbarkeit gegenüber meiner Mutter, die mir in der schweren Zeit diesen sehnlichsten Wunsch erfüllte.

Christa Schreiber

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